Es ist bekannt, dass Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen ein erhöhtes Risiko haben, an Infektionskrankheiten zu erkranken. Aufgrund der aktuellen Pandemie steht hierbei die Covid-19-Erkrankung, ausgelöst durch das Coronavirus, im Vordergrund. Derzeit ist eine Impfung die stärkste Maßnahme zur Verhinderung dieser Erkrankung. Da bei den meisten die Erkrankung ohne oder nur mit geringen Krankheitserscheinungen verläuft, gilt es vor allem schweren Verläufen zu begegnen. Weil aber auch Erkrankte, die sich vollkommen gesund fühlen, andere anstecken können, sollte die Bevölkerung in großem Umfang geimpft werden. Nur so können wir auf Dauer der Lage Herr werden. Das heißt, dass auch Rheumapatienten in die Impfkampagne einbezogen werden sollten.
Zunächst einmal muss festgestellt werden, dass das Risiko von einer Covid-19-Erkrankung erfasst zu werden, für Rheumapatienten zwar erhöht aber nicht massiv erhöht ist. Deshalb wurden Rheumapatienten auch in die Gruppe 3 priorisiert und damit mit 60-jährigen und nicht mit 70- oder 80-jährigen gleichgestellt.
Auch bei den Rheumapatienten gilt, wer noch weitere Erkrankungen, wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, chronische Nierenerkrankungen oder Lungenfibrose hat, ist stärker gefährdet. Gleiches gilt auch für Patienten im hohen Alter. Ältere Rheumapatienten haben ein höheres Risiko als junge.
Die Rheuma-Liga Thüringen macht sich deshalb für die Impfung von Rheumapatienten stark und hat in Zusammenarbeit mit der Klinik an der Weißenburg eine Impfaktion für ihre Mitglieder gestartet. Hierbei treten immer wieder Fragen auf. Zunächst werden immer wieder folgende Fragen gestellt: Kann ich mich denn bei meiner entzündlich-rheumatischen Erkrankung überhaupt impfen lassen? Werde ich die Impfung auch gut vertragen? Bei den modernen mRNA-Impfstoffen (Fa. BioNTech, Fa. Moderna) konnten wissenschaftliche Beobachtungen gemacht werden, die zeigten, dass keine vermehrten Nebenwirkungen bei Rheumapatienten auftraten. Auch kam es nach den Impfungen nicht zu vermehrten Schüben der Rheumaerkrankung. Es gibt von dieser Seite aus also keinen Grund, sich nicht impfen zu lassen. Ganz im Gegenteil muss man Rheumapatienten bei ihrem erhöhten Infektionsrisiko die Impfung sogar dringend ans Herz legen.
Eine weitere Frage ist, wirkt denn der Impfstoff überhaupt bei mir, wo doch mein Immunsystem durch die Krankheit geschädigt ist, und ich dazu auch noch die starken, das Immunsystem unterdrückenden Medikamente nehmen muss? Hierzu gibt es zwei Untersuchungen aus deutschen Universitätskliniken. In Kiel zeigten alle 26 untersuchten Patienten eine positive Reaktion auf die Impfung und somit Antikörper gegen das Coronavirus. Bei den Rheumapatienten lag die gemessene Antikörpermenge im Durchschnitt bei 2053 BAU/ml bei den Gesunden bei 2685 BAU/ml. Das heißt, die Rheumapatienten bildeten etwas weniger Antikörper. Aber die Antikörper waren trotzdem in deutlicher Menge vorhanden, trotz der das Immunsystem unterdrückenden Medikamente.
In Erlangen fanden sich nach zwei Impfungen bei 9,5% der Rheumapatienten und bei 0,5% der Gesunden keine wirksamen Antikörper. Somit konnte aber bei 90,5% der Patienten ein Ansprechen auf die Impfung nachgewiesen werden und auch bei Gesunden kam es zu Impfversagern. Dass nicht alle Menschen auf eine Impfung reagieren, ist ein Phänomen, dass man auch von anderen Impfungen kennt. Dem kritischen Leser der Untersuchungen aus Kiel und Erlangen fällt auch auf, dass in beiden Studien die Rheumapatienten deutlich älter waren als die gesunden Probanden. Dies könnte auch eine Teilerklärung dafür darstellen, dass die Rheumapatienten im Vergleich schlechter abschnitten, denn mit zunehmendem Alter lässt die Potenz unseres Immunsystems nach. Es verwundert deshalb nicht, dass ältere Menschen und damit auch ältere Rheumapatienten bei solchen Untersuchungen schlechter abschneiden.
Oft wird die Frage gestellt, soll ich denn in der Zeit der Impfung meine Basistherapie weglassen damit mein Immunsystem besser auf den Impfstoff reagieren kann? Diese Frage stellt sich vor allem beim Methotrexat (MTX), der am meisten verwendeten Basistherapie. Wenn man ehrlich ist, kann man diese Frage nicht seriös beantworten, da es dazu noch keine Untersuchungen gibt.
Schaut man auf die Grippeimpfungen, so kann man sagen, dass das Weglassen des MTX für zwei Wochen ausreichend ist. Eine längere Pause ist nicht sinnvoll. Sie führt am ehesten zu einem Rheumaschub.
Ob das Weglassen des MTX nach der Impfung wirklich einen Vorteil bringt, ist umstritten. Die Ergebnisse der Untersuchungen widersprechen sich. Die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie sagt, es ist nicht zwingend notwendig, die Therapie mit MTX im Rahmen der Impfung zu unterbrechen. Eine Unterbrechung sollte nur dann erwogen und mit dem Rheumatologen besprochen werden, wenn die Krankheit in einem stabilen Zustand ist. Die Unterbrechung sollte dann aber nicht länger als 1-2 Wochen dauern und erst nach der Impfung durchgeführt werden. Trotzdem sollte man sich die Unterbrechung gut überlegen, denn die meisten Impfungen gegen das Coronavirus müssen zweimal in kurzen Abständen durchgeführt werden und so muss man auch die Therapie zweimal unterbrechen. Sollte es bei einem Rheumapatienten nicht zu einem ausreichenden Impferfolg kommen, so kann eine wiederholte Impfung empfohlen werden.
Bisher konnten bezüglich der verschiedenen Rheumamedikamente noch keine Unterschiede zwischen den einzelnen Wirkstoffgruppen beobachtet werden. Allerdings ist die Anzahl der untersuchten Patienten noch zu klein, um eine sichere Aussage treffen zu können. Es gibt aber ein Medikament, dass eine Besonderheit darstellt. Es ist das Medikament Rituximab, dass unter den Handelsnamen MabThera®, Truxima® oder Rituxan® vertrieben wird. Es ist besonders schweren Fällen vorbehalten und kann nicht so einfach abgesetzt werden. Es zeigt eine ausgesprochene Langzeitwirkung und wird bei der Rheumatoiden Arthritis üblicherweise alle 6 Monate als Infusion verabreicht. Bei anderen Erkrankungen kann der Abstand zwischen den Infusionen auch kürzer sein. Es verhindert, dass der Betroffene Antikörper bilden kann. Somit ist der gesamte Impferfolg in Frage gestellt. Deshalb wurden auch Patienten, die dieses Medikament erhalten, bisher nicht in Untersuchungen zur Wirksamkeit der Impfungen aufgenommen. Wer dieses Medikament erhält, sollte sich wegen der Impfung genau mit seinem Rheumatologen absprechen.
Eine Untersuchung aus Israel zeigte, dass möglicherweise auch bei den Medikamenten Abatacept (Orencia®) und Mycophenolat-Mofetil (Cellcept®) der Impferfolg geringer sein kann.
Was kann man noch tun, um eine Infektion zu vermeiden? Natürlich sollten Hygieneregeln sowie Abstandsregeln beachtet und eine Maske getragen werden. Rheumapatienten sollten darüber hinaus darauf achten, dass ihre Krankheit gut eingestellt ist. Eine ausreichend wirksame Basistherapie ist dabei das A und O und eine stabile, inaktive Krankheit der beste Schutz. Die Medikamente dürfen nicht aus Angst vor der Erkrankung weggelassen werden, denn eine Krankheit im Schub ist ein hohes Risiko.
Weiterhin sollte versucht werden, Kortisonpräparate, wie z.B. das Prednisolon, einzusparen. Manchmal werden sie gebraucht, um einen Schub der Erkrankung zu therapieren oder zu verhindern. Allerdings scheint eine Dosis von mehr als 5 mg Prednisolon pro Tag das Risiko für eine Infektion zu erhöhen. Deshalb sollte durch eine gute Einstellung mit einer geeigneten Basistherapie versucht werden, die tägliche Prednisolondosis auf 5 mg oder weniger zu drücken. Dazu braucht es auch manchmal Zeit.
Die Coronaviruspandemie macht es den Rheumapatientinnen und -patienten nicht leichter. Wie man aus diesen Zeilen erkennen kann, können noch nicht alle Fragen zufriedenstellend beantwortet werden. Aber unter Beachtung der bis jetzt gewonnen Erkenntnisse sollte man auch als Rheumapatient, insbesondere nach einer vollständigen Impfung, hoffentlich heil durch die Coronazeiten kommen.